Masken
Tanz den Limbo: Gesammelte Gedanken
Bogdan Hiba
K++V
Da sich der Begriff des Liminalen so vielfältig zuordnen lässt, habe ich mich anhand des Inputs der ersten Colabor-Woche orientiert und bin über das Thema Rituale auf Masken in Kunst und Kultur gestossen. Die Rolle der Maske, kurz geschildert und mit dem Colabor im Hintergrund, bedeutet für mich ein Dazwischen, eine Trennung und gleichermassen eine Brücke in eine andere Wirklichkeit. Die Polaritäten der Trennung und der Verbindung sind für mich gleichbedeutend wie Materie und Geist. Einerseits verbirgt die Maske das wohl unmittelbarste Erkennungsmerkmal des Menschen, andererseits ermöglicht sie den Aufbau einer Brücke zu etwas anderem, dass auf bestimmte Weise entfremdend und zugleich vertraut wirken kann. Diese Brücke geht, wie alle Brücken in zwei Richtungen, für mich in diesem Fall in das Innere der menschlichen Seele und Psyche, als auch in eine unnennbare, für das menschliche Auge unsichtbare Welt. Dieser Welt entstammen die Begriffe für Götter, Geister, Dämonen, Legenden und Mythen, des Unbegreiflichen eben. Die Maske ist für mich, sinngemäss, eine physische Manifestation jener Brücke, welche es dem Menschen ermöglicht in das Immaterielle vorzudringen, das eigene als auch das äussere, in andere Rollen als die eigene zu schlüpfen. Bezüge und Beispiele lassen sich weit in der Menschheitsgeschichte zurückverfolgen, wo Masken als Teil von Ritualen, Übergangszeremonien von Reife und Tod, aber auch als vermittelndes Utensil des Schicksals der Sterblichen diente. Die Totenmasken der Pharaonen und antiken Griechen wären als prominentesten Beispiele zu nennen, aber auch Ereignisse der jüngeren Zeit, wie die europäischen Maskenbälle des 17.Jahrhunderts. Masken begleiten uns auch heute noch, sind sogar Teil der Popkultur geworden und aus bestimmten Bereichen und Genres nicht mehr wegzudenken. Vor allem im Medium Comic ist die Maske, wie bei Batman, V for Vendetta (siehe Guy Fawkes und das Ereignis des 5. Novembers 1605), Iron Man etc. nicht mehr wegzudenken.
Während des Schaffensprozesses habe ich einige Bilder von Masken aus verschiedenen Quellen gesehen und mich dabei gefragt, wie man überhaupt dazu kommt. Was sind die Entscheidungen, welche letztendlich der Maske ihr Aussehen verleihen und wie fange ich überhaupt an? Da ich mich vorher nie mit dem Maskenbau beschäftigt habe, war es eine schöne Herausforderung, die Suche nach einer schnellen Methode. Es gibt aber keine, jedenfalls nicht die eine für alle Masken. Jede Maske braucht ihren eigenen Anfang, sonst wird sie etwas willkürliches, eine wörtlich zu nehmende Hülle ohne Inhalt, ohne Pathos. Da ich mich in meiner Malerei mit dem intuitiven Zugang des Ausdrucks und der Erschaffung beschäftige, entschloss ich mich, dasselbe Vorgehen bei der Maskenanfertigung anzuwenden. Ich handle, fokussiert, ohne Erwartungen, frei vom eigenen Ego. Hier werde ich zur Brücke, zum Mediator zwischen Unbewusstem und Physis.
Die allererste Maske war ein Versuch mit Gipsabguss, die Vorlage war ein Tonmodell. Diese erste Annäherung barg eine Überraschung in sich, da der Gips beim Loslösen zerbrach. Diese Bruchstücke haben anschliessend die Basis für den zweiten, erfolgreichen Versuch gebildet. Diese zweite Maske vereint für mich mehrere Auslegungen des liminalen Raums und stellt ein wichtiges Werk für mich dar. So weist sie auf den Übergang eines alten in einen neuen Zustand, gleichzeitig lässt sie sich nicht tragen, da die Bruchstücke anstelle der Öffnungen von Augen und Mund getreten sind. Es beherbergt eine Unnahbarkeit, die Unmöglichkeit zu wissen, was vorher war, wie es ursprünglich ausgesehen hat. Alles, was verbleibt sind Hinweise dessen, was Vergangenheit, was vergessene Erinnerung ist. Die Tatsache, dass sich diese Maske
B. Hiba
nicht tragen lässt, stellt sie an eine Schwelle zwischen Maske und Skulptur, was sie wiederum zu einem manifestierten Zwischenraum macht. Und allein die Tatsache, dass ihr, die ihr das lest, die Geschichte der Maske kennt, verstärkt diese Unnahbarkeit noch mehr. Diese Spuren sind Geschichte und Geheimnis zugleich.
Nach und nach kamen dann neue Ideen und Vorgehensweisen, erst mit Ton und Karton, dann mit menschlichen Gesichtern und Gipsbinden. Um mich vertiefen zu können, habe ich mich schliesslich auf Gipsstreifen, Papier, Karton und Jute festgelegt. Anfangs nutzte ich hauptsächlich Papier und Karton, später dann vermehrt Jute- und Gipsstreifen. Diese Materialien waren das Gerüst und in den letzten Phasen des Arbeitens sind schliesslich verschiedene Stoffe, kleine Objekte und Mitbringsel hinzugekommen. Diese kleinen Kuriositäten und Kleidungsstücke stellen für mich die Seele der Masken dar, ebenso wie sie ihnen Charakter verleihen. Nicht zuletzt, weil auch diese Kleinode mit Geschichten, Erinnerungen und sentimentalen Werten aufgeladen sind. Sie sind ebenso Fragmente der Vergangenheit und Geschichte, welche nun einer neuen Sinnhaftigkeit zugeführt werden, ein neues Antlitz bilden. Der gesamte aktive und reflektive Prozess stellt eine wichtige Erfahrung für mich dar, ebenso wie die Zeit und Eindrücke durch und mit meinen Mitmenschen während des Colabors. Mein Ziel war es etwas Neues auszuprobieren und mich darin zu vertiefen, mit Ernsthaftigkeit und mit Freude gleichermassen damit zu arbeiten und daran zu wachsen. Um den Rahmen dieses Kriteriums nicht zu sprengen, will ich hier den Abschluss in Form eines Gedichtes bilden, welches während dieser letzten Wochen seinen Weg ins Sein gefunden hat.
Ohne Titel
Im Schnee sah ich,
Dich, nur dich allein,
Und gingest du von Nacht bedeckt,
Bedeckt und immerfort,
Trieb es mich als da als hin,
Zum Ort, wo blosse Spuren Zeugen sind,
An Orten ohne Zeit,
Durschwimme ich die Ewigkeit,
Und suche dich, nur dich allein,
Unter Steinen, hinter Sternenschein,
Verbleibt das Bild im Schnee,
Wenn alles Licht erlischt,
Wenn Sternenschweigen eingekehrt,
Erstrahlt ein Bild im Nichts,
Und so, von Schnee umrahmt,
Erklingst du in der Finsternis
Ende
B. Hiba